Dieser Artikel wurde in der Ausgabe der gedruckten Kommunalwirtschaft abgedruckt.

Rubrik IT / Verwaltung / Security

Kommunen müssen Einfluss im Glasfaserausbau wahrnehmen

Open Access ist im Sinne der Kunden und des Marktes wichtig

Von Thomas Pförtner – 01.07.2023 – Lesezeit ca. 7 Minuten 75

Open Access ist im Sinne der Kunden und des Marktes wichtig

Der High-Speed-Internet-Ausbau mit Glasfaser bis ins Haus nimmt Fahrt auf. Während die etablierten Netzbetreiber ihr Engagement in diesem Zuge deutlich steigern, tauchen auch neue Akteure im Markt auf – nicht zuletzt getrieben durch die großen finanziellen Mittelzuflüsse aus Fördertöpfen und von privaten Investoren. Finanzkonzerne wie Versicherungen und Fondsanbieter haben das Thema Infrastruktur für sich entdeckt. Vorteil dieser Geldanlage ist, dass die Bürger, deren Renten und Sparanlagen angelegt werden, indirekt an der Infrastruktur beteiligt werden. Indirekter zwar als bei lokalen Solar- und Windparks, die immer öfter direkt in der Hand von Bürgern sind, aber ein gewisser „Demokratisierungseffekt“ zeigt sich auch bei der IT/K-Infrastruktur. Den Kommunen kommt dabei eine gewichtige Rolle zu. Sie können die Weichen stellen.

Im ganzen Land ist derzeit eine große Goldgräberstimmung zu beobachten, bei der die Netzbetreiber um die Gunst der Kommunen buhlen. Dahinter steht primär das Ziel, möglichst viele Haushalte an das eigene Netz anzuschließen, um eine flächendeckende Versorgung zu erreichen und das Netz als Ganzes effizient betreiben zu können. Warum also sollte man, so könnte man fragen, öffentliche Gelder in den Glasfaserausbau stecken, wenn es doch genügend Interessenten gibt, die privates Geld zu investieren bereit sind?

Echter Wettbewerb?

Bis 2028 sollen insgesamt 44 Millionen Haushalte über einen Glasfaser-Anschluss (FTTH) verfügen, womit auch dem Thema Open Access (OA) neue Bedeutung zukommt. In der Praxis bedeutet dies, dass Netzbetreiber als Gegenleistung für die Fördermittel der EU auch anderen Serviceanbietern Zugang zu ihrer Infrastruktur gewähren müssen. Dann also doch lieber öffentliches Geld einsetzen zum Wohle des Wettbewerbs. In der Vergangenheit wurde Wettbewerb in der Telekommunikation dadurch erreicht, dass man der Deutschen Telekom als privatrechtlichem Nachfolger der ehemaligen Bundesbehörde das Kupfernetz zwar monopolistisch, aber unter strengen Auflagen überließ. Vor allem bedeutete dies, dass die „letzte Meile", die Kupferdoppelader in jede Wohnung, zu einem festgelegten Preis anderen Mitbewerbern überlassen werden musste. Dadurch hatten die Kunden in der Regel die Wahl zwischen verschiedenen Serviceprovidern, und zwar unabhängig von der physischen Leitung, in etwa vergleichbar mit dem Gas- und Strommarkt. Das funktionierte auch so lange einigermaßen gut, bis man zum Überschreiten der 50 Mbit/s-Grenze neben der Glasfaser bis zu den Schaltkästen am Straßenrand (FTTC) auf der letzten Meile Kupferleitung die Vectoring-Technik einführte. Eine physische Entbündelung der einzelnen Teilnehmeranschlussleitungen war damit nicht mehr möglich. Um den Wettbewerb zu sichern, brauchte es also einen anderen Ansatz.

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Funktioniert nur in der Theorie

Mit Bitstream Access (BSA) wurde schließlich ein Verfahren definiert, bei dem einem Wettbewerber die Datenströme der von ihm versorgten Endkunden an einem oder wenigen zentralen Standorten übergeben wurde. Damit war es wieder möglich, auf einer einzigen Netzinfrastruktur verschiedene Serviceprovider in Wettbewerb treten zu lassen, die verschiedenen Dienste wie Telefonie (Sprache), Internet, im Weiteren aber auch E-Mail, Cloudspeicher, IPTV und vieles mehr anboten. Bei VDSL wurde BSA einigermaßen gut angenommen und führte immerhin dazu, dass auch in Gebieten, in denen der FTTC-Ausbau von regionalen Anbietern vorangetrieben wurde, die Serviceprodukte der wichtigsten großen Anbieter zur Auswahl standen. Bei FTTH regt sich Unmut in Sachen Open Access vor allem dort, wo diese Wahlmöglichkeit bei der Akquise vor dem Bau versprochen aber nach dem Bau nicht geliefert wurde. Aufgrund extrem langwieriger Verhandlungen und Probleme bei der technischen Umsetzung ist er nämlich auch Jahre später noch kaum verfügbar.
Die Rechnung zahlt am Ende der Kunde

Dabei macht es in der Praxis keinen Unterschied, ob gefördert unter der Auflage des Open Access ausgebaut wurde oder eigenwirtschaftlich ohne diese rechtliche Auflage. Im Gegensatz zum Zugang zur alten Kupferleitung werden bei Open Access nicht nur BSA, sondern auch andere Zugangsmöglichkeiten gefordert, was die Sache kompliziert und langwierig macht. Zudem hat man auf eine funktionierende Preisregulierung verzichtet. Leider trifft dies vor allem ländliche Bereiche, wo die Baukosten pro angeschlossenen Haushalt hoch sind, während in dicht besiedelten städtischen Gebieten oft mehrere Netzbetreiber gleichzeitig bauen – trotz steigender Kosten. De facto wurde so durch übertriebene Anforderungen und fehlende Regulierungsdetails eine theoretisch und juristisch saubere, aber wenig praxistaugliche Situation geschaffen. Die Rechnung für all das zahlt am Ende der Kunde. Wettbewerb unter den Netzbetreibern gibt es primär überregional in der Frage, wer in welcher Kommune ausbaut. Danach und für den einzelnen Verbraucher gibt es dann oft nur ein einziges Serviceangebot.

Monopolistische Strukturen verhindern

Dabei ließe sich Open Access auch anders erreichen: etwa durch geeignete Auflagen der Kommunen. Nur wenige Netzbetreiber bauen ohne Vereinbarung mit der Kommune, also nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG), weil dies sehr langwierig ist. Damit haben die Kommunen einen wichtigen Hebel im Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte, den es zu nutzen gilt, statt sie auszuschalten. Einige Netzbetreiber bekennen sich auch bei eigenwirtschaftlichem Ausbau zu Open Access, um dem Interesse der Endkunden entgegenzukommen und ihr Angebot in den Verhandlungen mit den Kommunen attraktiv zu machen. Wenn die Ausschreibungen jedoch rein auf den günstigsten Preis abzielen, treibt das die Zahlung an die Kommunen und damit auch die Kosten für die Nutzer von Open Access in die Höhe. In diesem Fall wird zwar Open Access formal gewährt als verpflichtendes Angebot. Gleichzeitig aber werden Konditionen festgelegt, die diese Angebote weitgehend unattraktiv machen, so dass es für die Endkunden bei monopolistischen Angeboten bleibt.

Diese Mechanismen, trotz Auflagen Wettbewerber fernzuhalten, erinnern stark an den Bahnverkehr. Auch hier hat man formal Wettbewerb im Fernverkehr geschaffen und den Markt für alternative Verkehrsunternehmen geöffnet. In der Praxis hat die Deutsche Bahn als Betreiber des Netzes allerdings vielfältige Möglichkeiten, diese Wettbewerber zu behindern.

Kommunen sollten im Interesse der Bürger handeln

Vordergründig verbessern ließe sich die Situation, indem man den eigenwirtschaftlichen Ausbau unterbindet und die Förderung gezielt zur schärferen, praxisgerechteren Durchsetzung des Open Access nutzt. Heute hat jedoch der Verbraucher selbst im geförderten Ausbau in der Regel oft keine Wahlmöglichkeit, da der Zugang für Wettbewerber verzögert oder preislich unattraktiv gemacht wird. Die komplexen Vorgaben zum Open Access erleichtern hier, was sie eigentlich verhindern sollten. Anders sähe dies aus, wenn sich die Kommunen stärker für die eigenen Bürger ins Zeug legen und bei der Vertragsgestaltung den Wettbewerb unter Serviceprovidern auf einem einzelnen zu bauenden Glasfasernetz gezielt fordern und dies auch politisch und verwaltungsseitig forcieren würden. Vor allem jenseits der größeren Städte scheinen viele Kommunen jedoch genau damit überfordert zu sein.

Kommunalen Einfluss nutzen

Es ist also heute so, dass man beim Netzbau zwar theoretisch Wettbewerb und Markt hat, was private Investoren anlockt und öffentliches Geld spart. Wegen der mangelhaften praktischen Umsetzung aber wird der Markt auf Serviceebene langfristig ausgeschaltet – und zwar sowohl im geförderten als auch im eigenwirtschaftlichen Ausbau. Vielleicht bräuchte es eine Trennung von Netz und Service, die ein Stückweit der heutigen Situation ähneln würde, in der die Telekom zwar das Kupfernetz betreibt, dies aber unter strengen Auflagen und quasi in hoheitlichem Auftrag.

Open Access ist Standortvorteil

Die Kommunen haben den Hebel in der Hand, hier echte Marktwirtschaft im Sinne der eigenen Bürger zu ermöglichen. Im Wettbewerb liegen die Preisvorteile. Für die Ansiedlung von Unternehmen und damit für die gesamte öffentliche Infrastruktur ist Breitband unerlässlich. Die Kommunen müssen hier etwas bieten, sie können gestalten. Open Access ist somit auch ein Standortvorteil.


Über den Autor

Thomas Pförtner ist Projekt- und Interim Manager. Er realisiert neue Geschäftswerte durch fokussierte Projekte und ist immer dann gefragt, wenn es um strategisches Wachstum durch technische Innovationen geht. Zu seinen Auftraggebern zählen wachstumsorientierte Unternehmen aus der IT/K-Branche, der Chip- und Halbleiterindustrie sowie aus Produktion und Fertigung. Als Universalist verbindet er umfassendes technologisches Wissen über Chips und Halbleiter sowie moderne Fertigungsverfahren und Werkstoffe mit Praxiswissen über Netze, Server, moderne IT-Services und EDV. Ergänzt wird sein Kompetenzportfolio um strategisches Unternehmensmanagement-Know-how und Erfahrungen in den Bereichen Qualitätssicherung, Risikobewertung, Finanzen, Einkauf, Fertigung, Vertragswesen, Führung und Prozessteuerung. Er wirkt als Generalist. Technologie ist für ihn Mittel zum Zweck – mit und für die Menschen, die sie anwenden. Er steht für greifbare Ergebnisse und eine nachhaltige Umsetzung in der betrieblichen Praxis. Seine ganzheitliche Sicht auf menschliche, technologische, betriebswirtschaftliche, gesellschaftliche und ethische Fragestellungen in einer volatilen Geschäftswelt bringt der Diplom-Ingenieur und ausgezeichnete Interim Manager auch in verschiedene Fachzirkel und Gremien ein. Wegen seiner tiefgründigen Analysen und seiner systemisch-generalistischen Denkansätze ist er zudem als Autor in Fachmedien gefragt sowie als Experte im Rahmen von Workshops, Tagungen und Kongressen.

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