Rubrik Wasser / Abwasser

ARA Thunersee nutzt HYPERCLASSIC®-Rührwerke zur Mikroschadstoffelimination

11.11.2025 – Lesezeit ca. 6 Minuten 161

ARA Thunersee nutzt HYPERCLASSIC®-Rührwerke zur Mikroschadstoffelimination

Anlagenübersicht von ARA Thunersee, Schweiz

Die zunehmende Belastung unserer Gewässer durch Mikroverunreinigungen aus Medikamenten, Reinigungs- oder Körperpflegemitteln im Abwasser ist ein wachsendes Problem für Mensch und Tier.

Exkurs zur vierten Reinigungsstufe

Durch den unvollständigen Metabolismus von Arzneimitteln und die unsachgemäße Entsorgung von Körperpflegemitteln und Chemikalien gelangen immer größere Mengen an Mikroverunreinigungen in das zu reinigende Abwasser. Herkömmliche dreistufige Abwasserreinigungsanlagen (ARA) mit mechanischer, biologischer und chemischer Reinigungsstufe sind nicht dafür ausgelegt, um diese Mikroverunreinigungen zu entfernen. Wenn nicht durch Maßnahmen an der Quelle, also Vermeidung bzw. Verhaltensänderung, dafür gesorgt werden kann, dass diese Stoffe gar nicht erst in das Abwasser gelangen, bedarf es hierfür eines Ausbaus der vorhandenen Kläranlage in Form einer vierten Reinigungsstufe. Dieser Erweiterungsschritt geht in deutschen Regionen wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen sowie der Schweiz seit vielen Jahren voran. Bei der vierten Reinigungsstufe sind bisher zwei verschiedene Verfahrensarten etabliert:

  • Ozonung mit dem Ziel der Oxidation von Spurenstoffen oder
  • die Verwendung von Aktivkohle mit dem Ziel der Adsorption der Verunreinigungen.

    Advertising

    Abonnieren Sie unseren Newsletter mit Link zur kostenlosen PDF Ausgabe der Kommunalwirtschaft!

Insbesondere das Verfahren mit pulverförmiger Aktivkohle (PAK) in Kombination mit Koagulation und Flockung ist eine bewährte und wirksame Lösung.

Optimierung der Prozesse

Für die Elimination von Mikroschadstoffen mit Hilfe des INVENT HYPERCLASSIC®-Rührwerks, steht die Verfahrensvariante mit PAK im Fokus. Dieses wird beispielsweise in der ARA Thunersee, Schweiz, mit dem sogenannten „Ulmer Verfahren“ seit 2018 angewandt. Hierbei wird die PAK in einem Kontaktreaktor dem gereinigten Abwasser aus der Nachklärung zugegeben und eingemischt. Durch Zugabe von Fällmitteln und Flockungshilfsmitteln werden wiederum beladene PAK-Flocken gebildet, die im Nachgang in zwei Sedimentationsschritten stromabwärts getrennt werden. Die Effektivität des Prozesses ist abhängig vom Kontaktreaktordesign und der eingesetzten Rührtechnik. Eine Optimierung der einzelnen Stufen ermöglicht dem Anlagenbetreiber einen sicheren und effizienten Betrieb, sowohl in Bezug auf Energie- als auch Chemikalieneinsatz. INVENT bietet mit THINK Fluid Dynamix® einen Service für Numerische Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics – CFD) an, der die optimale Positionierung aller Zuläufe und der Dosierstellen für Chemikalien und Rührwerke bestimmt, um dadurch größtmögliche Durchmischung und stabile Flockenbildung mit minimalem Energieeintrag zu erreichen. Das HYPERCLASSIC®-Rührwerk ist zudem die optimale Technik zur Durchmischung eines Kontaktreaktors. Durch die bodennahe Positionierung des Hyperboloid-Rührkörpers, werden radial hohe Sohlgeschwindigkeiten zur effizienten Suspension erzeugt. Die gleichzeitig hohe Pumpleistung des Rührwerks ermöglicht eine intensive Großraumströmung zur schnellen Homogenisierung des Reaktorinhalts. Das HYPERCLASSIC®-Rührwerk ist außerdem hervorragend zur Flockung geeignet, da die Beschleunigung der erzeugten Flocken entlang der großen Oberfläche des Hyperboloid-Rührkörpers schonend stattfindet. Die scherkraftarme und doch intensive Durchmischung erzeugt optimale Bedingungen für das Flockenwachstum, also auch den angestrebten Reinigungsprozess. Die mikroschadstoffhaltigen Flocken können dann in der zusätzlich nachgeschalteten Sedimentation abgetrennt und wieder rezirkuliert werden. Gute Absetzeigenschaften der Flocken sind hierbei extrem wichtig, um Aktivkohleschlupf mit dem gereinigten Wasser zu vermeiden. Die beladene Aktivkohle wird am Ende des Prozesses mit dem Klärschlamm ausgeschleust, getrocknet und verbrannt.

INVENT und ARA Thunersee seit 1996 ein Erfolg

Die kommunale Kläranlage Thunersee, Schweiz, ist seit 1972 in Betrieb und reinigt das Abwasser von rund 120.000 angeschlossenen Einwohnern. Von 1994 bis 1998 wurden im Zuge einer Erneuerung der Biologie und Schlammbehandlung zwölf HYPERCLASSIC®-Rührwerke der vierten Generation in den anoxen Beckenteilen zur Denitrifikation auf insgesamt vier Straßen verbaut. Diese laufen nun stetig seit über 25 Jahren, wartungsarm und energieeffizient. Seit 2024 werden alte Rührwerke schrittweise durch neue HYPERCLASSIC®-Rührwerke Evolution 7 ersetzt, um die Technologie zu modernisieren und sich an die nun anspruchsvollere Situation mit schwererem PAK-beladenem Belebtschlamm in der Biologie anzupassen.

Zum Ausbau der Anlage mit der vierten Reinigungsstufe stand INVENT bei der Optimierung der vierstufigen Kontaktreaktoren in der Planungsphase zur Seite. Durch Strömungssimulation von THINK Fluid Dynamix® wurden auf Basis der Vorplanung folgende Fragestellungen beantwortet:

  • Feststellung der optimalen Zuläufe
  • Positionierung der PAK-Suspension und Fäll- bzw. Flockungshilfsmittel im ersten und letzten Beckenteil
  • Feststellung von Verweilzeiten und Homogenisierungsgrad des Beckeninhalts.

Für die Suspendierung des schwereren PAK-Schlamms mit einem Schlammvolumenindex von 80 bis zu 40 ml/g, wird mehr Rührleistung benötigt als beispielsweise für eine einfache Denitrifikation. Zusätzlich sind die Anforderungen an Homogenisierung und Flockenwachstum eine Herausforderung für die eingesetzte Rührtechnik. Seit der Installation der vierten Generation des HYPERCLASSIC®-Rührwerks in der Belebungsstufe im Jahr 1996 wurde das Rührwerk kontinuierlich weiterentwickelt, so dass nun die siebte Ausführung in der ARA Thunersee zum Einsatz kam. Mit dem HYPERCLASSIC®-Rührwerk Evolution 7 wird effizient und scherkraftarm eine hohe Sohlgeschwindigkeit im Reaktor erzeugt und durch das optimierte Design der Transportrippen am Hyperboloid-Rührkörper die Homogenisierungsleistung gesteigert.

Seit Juli 2018 ist die ausgebaute Anlage in Betrieb und die positiven Ergebnisse zeigen, dass sowohl die vierte Reinigungsstufe im Ganzen betrachtet ein voller Erfolg ist, wie auch die von INVENT mit Hilfe von CFD strömungsmechanisch empfohlenen Platzierungen der Zuläufe und Rührwerke, richtig analysiert wurden. In dem offiziell veröffentlichten Bericht zu den Ergebnissen des ersten Betriebsjahrs der ARA werden die gewählten Ausführungen folgendermaßen beschrieben: „Nach der Nachklärung der biologischen Stufe wird das Abwasser mit zwei Pumpwerken angehoben und in zwei Kontaktbecken mit 1.100 m³ Inhalt gefördert. Das Abwasser durchläuft vier mit HYPERCLASSIC®-Rührwerken ausgerüstete Zonen, wobei zwischen Zone 2 und 3 keine Trennwand besteht.“1

Dieser Effekt der „virtuellen Wand“ zwischen zwei gegenläufigen HYPERCLASSIC®-Rührwerken ist ein einzigartiger Effekt, der, bei gleichzeitig gutem Verweilzeitverhalten, Baukosten für eine Trennwand zwischen den Zonen einsparen kann. Weiter wird der Prozess in dem Bericht geschildert: „In die erste Zone wird die Pulveraktivkohlesuspension und eine Fe3+-Lösung dosiert. […] Ein anionisches Flockungshilfsmittel wird in der 4. Gerührten Zone an der Beckensohle in der Nähe des Rührwerkes zugegeben. [Im Anschluss wird] in vier Absetzbecken mit je 1.944 m³ […] der PAK-Schlamm abgesetzt und mit Rücklaufschlammpumpen in die erste gerührte Zone der Kontaktbecken gefördert.“1

Um die Effektivität der Anlage zu testen, wurden im ersten Jahr intensive Wasservergleichstests vor und nach der vierten Reinigungsstufe durchgeführt. 22 von 24 der 48-Stunden-Proben wiesen Eliminationsleistungen von 81 % bis 95 % auf, wobei 80 % die geforderte Mindestleistung ist.

Weitere Artikel in dieser Rubrik