Das vor Ort härtende Schlauchlining wurde im Mai 2024 auf Antrag des Rohrleitungssanierungsverbands e. V. (RSV) vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) für die Instandhaltung erdverlegter Asbestzement-Kanäle (AZ-Kanäle) anerkannt und inzwischen als Verfahren BT 61 1 in der Liste der emissionsarmen Verfahren gemäß TRGS 519 2 veröffentlicht.
Motivation
Asbest ist ein besonders gefährlicher krebserzeugender Gefahrstoff und mit einem Expositionsverbot belegt 3. Jahrelang hatte es – auch durch ein inzwischen längst rückgängig gemachtes Verbot in Bayern – in Deutschland fast einen Stillstand bei Sanierungen bzw. Instandhaltungen von Abwasserkanälen mit Asbestzementrohren gegeben, obwohl der Erhalt der kritischen und an vielen Orten in die Jahre gekommenen Entwässerungsinfrastruktur hohe Dringlichkeit hat. Die Verunsicherung war groß, besonders auch zur Genehmigungsfähigkeit lebensverlängernder Maßnahmen. Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten (ASI-Arbeiten) an Einrichtungen, bei denen in der Vergangenheit asbesthaltige Materialien eingesetzt wurden, sind unvermeidlich. Nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)4 sind dabei besondere Schutzmaßnahmen und organisatorische Voraussetzungen einzuhalten.
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Die unklare Situation veranlasste den RSV in 2023, einen Antrag für die Anerkennung des vor Ort härtenden grabenlosen Schlauchlining als emissionsarmes Verfahren gemäß TRGS (Technische Regel für Gefahrstoffe) 519 5 zu stellen. Das grabenlose Verfahren bietet erhebliche Vorteile für die Arbeitssicherheit und verringert die Mengen zeit- und kostenaufwendig zu entsorgender asbesthaltiger Baustoffe erheblich. Die Anerkennung macht auch Genehmigungen im Einzelfall durch Gewerbeaufsichten unnötig. Die inzwischen veröffentlichte allgemeine Anerkennung als emissionsarmes Verfahren BT 61 trägt zum Abbau der Verunsicherung und zur Vereinfachung von Planung, Genehmigung und Umsetzung von Sanierungs- bzw. Instandsetzungsprojekten bei. Und sie erleichtert den Kommunen die Erfüllung ihrer Pflichten gemäß Wasserhaushaltsgesetz.
Rechtliche Grundlagen
Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)4 enthält im Anhang II (zu § 16 Absatz 2) u. a. folgende Regelungen:
- Arbeiten an Erzeugnissen aus Asbest sind verboten.
- Ausnahmen sind unter anderem Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten.
- Bei Abtrag der Oberfläche gelten die Ausnahmen nur, wenn ein anerkanntes emissionsarmes Verfahren verwendet wird.
Die TRGS 519 5 „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ enthält Regelungen zur Umsetzung der Gefahrstoffverordnung, und ihre Abschnitte 2.8 und 2.9 sind wesentlich für die Beantragung emissionsarmer Verfahren:
- 2.8 Tätigkeiten mit geringer Exposition
- 2.9 Emissionsarme Verfahren
Danach dürfen Instandhaltungsarbeiten an Bauprodukten aus Asbest, bei denen ein Abtrag der Oberfläche zu erwarten ist, nur mit anerkannten emissionsarmen Verfahren erfolgen. Durch Messergebnisse muss eine Faserexposition unterhalb des Grenzwerts von 10.000 Fasern pro Kubikmeter Atemluft nachgewiesen werden. Selbst ohne gesonderten Atemschutz soll so eine Gefährdung für das Personal ausgeschlossen werden.
Für eine reibungslose Kommunikation der Beteiligten ist es wichtig, die unterschiedlichen Definitionen der Begriffe
Sanierung und Instandhaltung zu kennen. Der Begriff Sanierung wird in der Gefahrstoffverordnung anders definiert als beispielsweise in der DIN EN 15885 zur
Kanalsanierung. Die Anerkennung als emissionsarmes Verfahren gilt mit der Begriffsdefinition der Aufsichtsbehörden für die
Instandhaltung. Die
Instandhaltung umfasst dabei Arbeiten zur
Inspektion, Reinigung und Renovierung von AZ-Kanälen. In Anmeldungen bei der Gewerbeaufsicht vermeiden ausführende Unternehmen also Missverständnisse, wenn sie konsequent den Begriff
Instandhaltung im Sinne der Begriffsdefinition der Aufsichtsbehörden verwenden.
Maßgebende Vorteile der Anerkennung von Schlauchlining als emissionsarmes Verfahren BT 61
Für Netzbetreiber: Durch die Aufnahme in die Liste der emissionsarmen Verfahren nach TRGS 519 wird es für Netzbetreiber einfacher, eine Kanalsanierung für AZ-Leitungen rechtssicher und einfach auszuschreiben. Es muss keine gesonderte behördliche Genehmigung eingeholt werden. Die oft als „Inliner-Verfahren" bezeichnete minimalinvasive Sanierungsmethode des vor Ort härtenden Schlauchlining wird somit für die Instandhaltung von Abwasserkanälen rechtssicher anwendbar.
Für ausführende Unternehmen: Kanalinstandhaltungsmaßnahmen können bei Gewerbeaufsichten mit Nennung des Verfahrens angezeigt werden, ohne dass eine zusätzliche Genehmigung im Einzelfall oder begleitende Messungen erforderlich sind. Von ausführenden Unternehmen einzuhaltende Voraussetzungen.
Wichtige Voraussetzungen für die Nutzung des anerkannten emissionsarmen Verfahrens BT 61
Die Anerkennung bezieht sich auf die Verwendung von vor Ort härtenden Schlauchlinern inklusive Wiederherstellung und Anbindung der Anschlussleitungen und Schächte. Die zur Anerkennung gehörende Verfahrensbeschreibung1 zeigt auf, welche Voraussetzungen ausführende Unternehmen einzuhalten haben. Grundlage dafür ist die Technische Regel Gefahrstoffe TRGS 519 5, die Arbeiten an Produkten aus Asbest regelt. Zu nennen sind insbesondere folgende Voraussetzungen:
- Benennung einer sachkundigen verantwortlichen Person nach TRGS 519 Nr. 5.1
- Beaufsichtigung der Arbeiten durch eine sachkundige und weisungsbefugte Person nach TRGS 519 Nr. 5.2
- Unternehmensbezogene Anzeige (TRGS 519, Anlage 1.1) spätestens sieben Tage vor Beginn der Arbeiten gemäß Anhang I Nr. 2.4.2 GefStoffV/TRGS 519 Nr. 3.2 an die zuständige Behörde und den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Die unternehmensbezogene Anzeige ist am Sitz des Unternehmens einzureichen und bei einem Wechsel der sachkundigen Person oder spätestens nach sechs Jahren erneut vorzunehmen.
- Erstellen einer Gefährdungsbeurteilung und eines Arbeitsplans nach TRGS 519 Nr. 4. (Anlage 1.4)
- Erstellen einer schriftlichen Betriebsanweisung sowie Unterweisung der Beschäftigten nach TRGS 519 Nr. 11. (Anlage 1.6)
- Arbeitsausführung durch in das Arbeitsverfahren eingewiesenes Fachpersonal (drei bis acht Personen) nach TRGS 519 Nr. 5.3
Fazit und Ausblick
Die Anerkennung des vor Ort härtenden Schlauchlining als emissionsarmes Verfahren für die Instandhaltung erdverlegter AZ-Kanäle macht die Anwendung für Netzbetreiber und ausführende Unternehmen rechtssicher und einfacher. Gerade in Bayern reduzierte die positive Reaktion des dortigen Ministers für Umwelt- und Verbraucherschutz und der süddeutschen Behörden die Verunsicherung und löste Blockaden 6. Die Anerkennung des In-Liner-Verfahrens dient dem Erhalt unserer kritischen Infrastruktur der Entwässerungssysteme, ihrem Werterhalt, dem Erhalt unseres Lebensstandards und der erwünschten Nachhaltigkeit.
Aktuell wird die der Anerkennung als emissionsarmes Verfahren zugrundeliegende Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) überarbeitet. Der RSV plädiert dafür und hofft, dass mit der Überarbeitung fehlende Aspekte erdverlegter Leitungen und Kanäle eingearbeitet werden, die in der aktuell gültigen Fassung im Vergleich zum Hochbau zu wenig Beachtung haben.
Weitere Informationen und Links, die die Instandhaltung von AZ-Kanälen betreffen, stellt der RSV online auf der Themenseite zur Sanierung erdverlegter Asbestfaserzementrohre 7 zur Verfügung. Auch RSV-Webinare und -Präsentationen auf Fachveranstaltungen dienen der Information und dem Austausch und wurden im Kreis der Mitglieder und Fachbranche gut angenommen.
Danksagung
Der RSV dankt seinen Mitgliedsunternehmen und allen, die die Antragstellung tatkräftig unterstützt haben, besonders Daniel Korczinski, der als vormaliger Standortleiter Erlangen beim Ingenieurbüro ISAS für den RSV die technische Begleitung des Antrags verantwortete.
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