Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Oktober 2025 der gedruckten Kommunalwirtschaft abgedruckt.

Rubrik Energie & Netze

17.000-Einwohner-Gemeinde stemmt Mammutprojekt zur nachhaltigen Energieversorgung

Erdwärme aus 5.000 m Tiefe

08.10.2025 – Lesezeit ca. 5 Minuten 108

Erdwärme aus 5.000 m Tiefe

Die Marktgemeinde Holzkirchen steht beispielhaft für eine zukunftsorientierte, klimaneutrale Wärmeversorgung: Mit dem nun erfolgreich abgeschlossenen Transformationsplan im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze setzt die Gemeinde ein bundesweit beachtetes Leuchtturmprojekt um. In enger Zusammenarbeit der Gemeindewerke Holzkirchen mit Gammel Engineering wurde ein detaillierter Fahrplan für die vollständige Dekarbonisierung der kommunalen Wärmeversorgung bis 2045 entwickelt. Durch gezielte Projektentwicklung und Förderung verfolgt die Gemeinde konsequent das Ziel, ihre Energieversorgung nachhaltig und unabhängig von fossilen Brennstoffen zu gestalten.

Vor 20 Jahren entschied der Gemeinderat von Holzkirchen, auf Geothermie zu setzen, und sicherte sich umgehend das Recht, in einem Gebiet von über 200 km² nach Erdwärme zu suchen. Bis es allerdings so weit war, sollte zunächst die Wärme in hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung basierend auf fossilen Energien erzeugt und über Wärmenetze an die Bevölkerung, Gemeindegebäude sowie Wirtschaft verteilt werden. Zu diesem Zweck waren seit 1991 drei eigenständige Wärmezentralen mit effizienten Blockheizkraftwerken ausgestattet worden. Die Wärmeleitungen sollten später für die Energie des Erdwärmekraftwerks nutzbar gemacht werden.

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Fernwärme und Strom aus Geothermie

Das Projekt Geothermie nahm schließlich in den Jahren 2016 und 2017 an Fahrt auf, als Bohrungen in 5.078 Metern Tiefe ausreichend Thermalwasser identifizieren konnten, um damit umgerechnet den Strombedarf von etwa 5.500 Haushalten zu decken und zusätzlich einen Großteil der Marktgemeinde mit Erdwärme zu versorgen. Etwa zur selben Zeit wurden die Projektentwicklungs- und Planungsspezialisten von Gammel Engineering erstmals damit beauftragt, den hypothetischen Anschluss des damals gerade im Entstehen begriffenen Neubaugebiets Inselkam-Maitz an das vorhandene Fernwärmenetz auf Wirtschaftlichkeit zu prüfen.

Ein Heizkostenvergleich zwischen Fernwärmeanschluss und dezentralen Alternativen wie Öl- oder Gasheizung kam zu dem Ergebnis: Ein wirtschaftlicher Wärmepreis ist realistisch. Deshalb war das Interesse der künftigen Bevölkerung groß – und das Neubaugebiet wurde angeschlossen.

Aufwändiger Umbau des Bestandsnetzes

Doch mit der Idee, von fossilem Gas auf natürliche, emissionsfreie Erdwärme umzusteigen, stand eine schwierige Transformation an, wie der Kaufmännische Geschäftsführer der Gemeindewerke Holzkirchen, Stefan Hafner, erzählt: „Um die Geothermie an die bestehenden Netze anzubinden, mussten wir als erstes in einem sogenannten ‚Ringschluss‘ die bestehenden drei Netze mit insgesamt etwa 25 Kilometer Trassen miteinander verbinden.“

Zudem mussten die Bestandsnetze optimiert werden, wofür jeweils etwa 1.000 Meter Haupt- und Nebentrassen notwendig waren. „Glücklicherweise konnten wir uns auch hierbei auf die langjährige Erfahrung verlassen, die Gammel Engineering im Bereich Wärmenetze mitbrachte“, so Hafner weiter.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Energieunabhängigkeit

Die Geothermie-Anlage versorgt Holzkirchen seit 2019 sukzessive mit grünem Strom sowie Fernwärme. Dabei verfügt sie im regionalen Vergleich über einen besonders hohen Wirkungsgrad: Die rund 55 pro Stunde geförderten Liter Thermalwasser sind 155 °C heiß. Davon entzieht das Kraftwerk 118 °C, sodass das Wasser mit der bayernweit niedrigsten Injektionstemperatur von knapp 37 °C zurück in die Erde geführt wird. Aus der gewonnenen Wärmeenergie konnten 2023 insgesamt 22 Millionen kWh Strom sowie 12,5 Millionen kWh Fernwärme für die Marktgemeinde erzeugt werden.

Bis 2045 wollen die Gemeindewerke die Blockheizkraftwerke endgültig abschalten. Rund 60 Millionen Euro wurden hierfür bereits investiert. Um die Transformation der Energieversorgung in den kommenden zehn Jahren erfolgreich abzuschließen, sind die Betreiber zusätzlich auf erhebliche finanzielle Mittel angewiesen, von denen der örtliche Versorger allein bis zu vier Millionen Euro jährlich beisteuern will.

Sicherung der Projektförderung bis 2045

Die Gemeindewerke hoffen zudem auf finanzielle Unterstützung im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) – und setzen einmal mehr auf die Expertise von Gammel Engineering. Unter der Leitung von Dr.-Ing. Stefanie Reil übernahmen die Abensberger Ingenieure die Fördermitteleinwerbung für die Gemeindewerke Holzkirchen. Hierfür erstellten sie eine Projektskizze und erhielten einen Förderbescheid im Modul 1.

Der nun abgeschlossene Transformationsplan analysiert nicht nur die bestehenden Netze und Erzeugerstrukturen, sondern entwickelt ein modulares Maßnahmenpaket zum kontinuierlichen Ausbau und zur vollständigen Umstellung der Fernwärmeversorgung in Holzkirchen auf erneuerbare Energien. Ein zentrales Element war die Verbindung der ursprünglich drei autarken Fernwärmenetze zu einem leistungsfähigen Gesamtsystem. Ergänzt wurde dies durch die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung und die strategische Erschließung neuer Anschlussgebiete.

Mit dem nun vorliegenden Transformationsplan ist die Grundlage geschaffen, um im nächsten Schritt die Investitionsförderung gemäß BEW-Modul 2 zu beantragen. Ziel ist die sukzessive Umsetzung aller im Plan verankerten Maßnahmen bis spätestens 2045.

Stefan Hafner zeigt sich zuversichtlich, dass der Antrag auch für die Investitionsförderung im Modul 2 der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze erfolgreich sein wird: „Wir reden hier über klimaneutrale Wärme. Während andere noch über Kohle diskutieren, lösen wir in Holzkirchen inzwischen Erdgas ab. Damit ist Holzkirchen anderen Kommunen auch in puncto Dekarbonisierung der Wärmeversorgung bereits heute weit voraus.“

Dr.-Ing. Stefanie Reil, Projektleiterin bei Gammel Engineering, hebt hervor: „Holzkirchen zeigt, wie kommunale Wärmewende konkret und technologieoffen gelingen kann – auf Basis gesicherter Daten, modularer Planung und effizienter Umsetzung. Es ist ein Musterbeispiel moderner Energieinfrastruktur.“

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