Dieser Artikel wurde in der Ausgabe der gedruckten Kommunalwirtschaft abgedruckt.

Rubrik IT / Verwaltung / Security

Agil und kollaborativ – Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung

Von Marcel Flügel & Katarzyna Capek, Q_PERIOR – 30.06.2023 – Lesezeit ca. 6 Minuten 226

Agil und kollaborativ – Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung

Behörden und staatliche Betriebe werden oft für ihre Ineffizienz und Komplexität kritisiert. Doch die digitale Transformation wird tiefgründige Verbesserungen bringen. Sie bietet die Chance, mit Effizienz, Transparenz und Kundenzentrierung die Bürgernähe zu verbessern und somit das Vertrauen der Bürger:innen in die staatliche Verwaltung, und letztendlich auch in die Demokratie, zu stärken. Zusätzlich hängt die öffentliche Sicherheit von der Betriebsfähigkeit der Verwaltung ab. Die schnelle und effiziente Digitalisierung der Verwaltung ist also ein dringliches Thema. Die Hürden, die Behörden dabei zu bewältigen haben, sind jedoch vielfältig.

Der Handlungsbedarf im Bereich der Digitalisierung ist längst erkannt. Deutschland, Österreich und die Schweiz haben bereits entsprechende Digitalisierungsprogramme eingeleitet. Trotzdem hinken die deutschsprachigen Länder im internationalen Vergleich in Bezug auf digitale Verwaltung hinterher. Woran hapert es also? Bekannt ist, dass in vielen Ländern, Kommunen und Städten schlichtweg das notwendige Budget fehlt, um neue digitale Lösungen einzuführen. Zudem umfasst die digitale Transformation nicht nur digitale Lösungen – nötig ist auch eine Änderung von Arbeitsweisen und internen Strukturen.

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Die Arbeitswelt ändert sich

Dieser Punkt gewinnt zusätzlich durch eine andere Entwicklung an Bedeutung: der Fachkräftemangel. Er ist bereits alltäglich spürbar: Ende 2022 waren in Deutschland fast 2 Millionen, in der Schweiz über 120.000 Stellen unbesetzt. Verschiedene Studien zeigen, dass sich diese Zahlen weiter zuspitzen werden, da es sich um ein internationales Thema handelt und fast alle Industrieländer mit einer demografischen Alterung kämpfen. Die öffentliche Verwaltung ist dabei ebenso wie die freie Wirtschaft vom Fachkräftemangel betroffen.

Hinzu kommt der Markteintritt der Generation Z: In den kommenden Jahren werden junge Menschen, geboren etwa zwischen 1995 und 2010, auf den Arbeitsmarkt kommen. Sie bilden die erste Generation, die digital und mit Smartphone aufgewachsen ist. Auch wenn die Generationentheorie umstritten ist, wird der Wandel im Arbeitsleben deutlich spürbar sein. Die Generation Z legt den Fokus auf Flexibilität anstelle von Kontinuität, auf Arbeitsinhalt statt Arbeitslast, auf Entfaltung anstelle von Hierarchie. Diese Wünsche werden zwar von der Generation Z vorangetrieben, sie sind aber generell für die neue Arbeitswelt und alle Arbeitskräfte relevant. Diese Anforderungen können nur mithilfe der Digitalisierung erfüllt werden.

Ein weiterer, nicht unerheblicher Digitalisierungstreiber ist die Marktreife künstlicher Intelligenz (KI). Was bislang für Nerds und Programmier:innen relevant war, ist nun in aller Munde. Generative KI – von Midjourney bis ChatGPT – ist plötzlich für nahezu jeden nutzbar. Die Popularität wurde insbesondere mit ChatGPT sichtbar. Der Chatbot hat bei der Kennzahl «Zeit bis 100 Millionen Benutzer:innen» einen neuen Rekord gesetzt: 2 Monate. Das Mobiltelefon hat dafür rund 15 Jahre benötigt, das Internet rund 7 Jahre, Facebook ca. 4,5 Jahre und das Handyspiel Candy Crush 15 Monate (Quelle Business Insider / Quelle Reuters). Der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird auch den Arbeitsalltag grundlegend verändern. Bisher lag die öffentliche Verwaltung in der Digitalisierung immer zurück – ohne den Einsatz von KI wird dieser Abstand in Zukunft nicht linear, sondern exponentiell wachsen.

Taten statt Pläne

Der Fachkräftemangel, die Generation Z, der Wandel in der Arbeitswelt sowie die Etablierung der künstlichen Intelligenz im Arbeitsalltag, all diese Herausforderungen betreffen somit auch die öffentliche Verwaltung. Und sie müssen zeitnah angegangen werden – mit Weitsicht und Dringlichkeit sowie emotionaler Nüchternheit. Wenn dies nicht gelingt, werden die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen nicht mehr genügen. Lange Wartezeiten, hohe Fehlerquoten und vielleicht sogar Betriebsausfälle wären das Resultat. Steuererklärungen könnten nicht geprüft werden, mit entsprechenden Einnahmeausfällen, Einwohnerregister wären nicht mehr aktuell, die Strafverfolgung könnte Fälle nicht abarbeiten und der Rechtsstaat wäre gefährdet. Nur der vollständige Einkauf der notwendigen Dienstleistung mit externem Personal, verbunden mit entsprechend hohen Kosten, wäre ein «Ausweg». Dieses Szenario ist momentan unvorstellbar, aber ohne Maßnahmen leider realistisch. Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist also unabdingbar.

Wie kann diese nun vorangetrieben werden, wenn trotz des hohen Drucks nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen? Ein Lösungsansatz wäre, zunächst die Transformation durch Arbeitsweise und Strukturen anzugehen, sozusagen als «Low Fidelity Digitalisierung». Denn: «Kleine Taten, die man ausführt, sind besser als große, die man plant.» (Peter Marshall). Ein solches iteratives Vorgehen hin zur Digitalisierung schafft agile Denkweisen, die in Zukunft notwendig sein werden. Dafür bedarf es eines Kulturwandels in öffentlichen Verwaltungen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Führungsebene den Wandel antreibt und mitträgt. Noch stecken Behörden und Ämter fest in gesetzten Strukturen und alten Denk- und Vorgehensweisen. Anzuraten ist daher ein schrittweises sowie exploratives Vorgehen, um den digitalen Wandel einzuleiten. Ideen der digitalen Welt und agilen Arbeitsweise werden übernommen und mit einfachen Mitteln in die Verwaltung eingeführt. Oft kann eine neue Arbeitsweise sogar ohne Investitionen erfolgen.

Aufgaben und Arbeitsweisen visualisieren

Wie könnte eine solche Umstellung in der Praxis aussehen? Ein einfaches Element der agilen Arbeitsweise sind beispielsweise Kanban-Boards: In der einfachsten Form umfasst das Kanban-Board die drei Phasen «To Do», «in Arbeit» und «Erledigt». Aufgaben werden auf einem Post-It niedergeschrieben und auf dem Kanban-Board je nach Fortschritt eingeordnet. Mit einem Kanban-Board können anstehende Arbeiten sowie deren Stand in einfachster Weise visualisiert werden. Kanban-Boards können frei gestaltet und um weitere Spalten ergänzt werden. Auch komplexe Projektpläne lassen sich abbilden, ebenso wie interne Prozesse, z. B. Eingang, Verarbeitung, Weiterleitung, Prüfung, Versand. Dies eröffnet die Möglichkeit, in einem Pull-Prinzip zu arbeiten: Mitarbeitende sind weniger isoliert tätig und können je nach Kapazität oder Vorlieben weitere Aufgaben übernehmen.

Aus einer solchen, relativ simplen Implementierung können «Quick Wins» entstehen: Sobald Prozesse und Arbeitsweisen visualisiert werden, ist es möglich, diese besser zu diskutieren und zu verbessern. Ein Dialog entsteht und konkrete Problemstellungen des Prozesses können gemeinsam überdacht und optimiert werden – und dadurch vereinfacht und effizienter gestaltet werden. Zudem können Anforderungen von Bürgerinnen und Bürgern einfließen. Die Digitalisierung der Prozesse wird durch den Einsatz von Softwarelösungen zusätzlich unterstützt. Sobald Mindset und Arbeitsweise angepasst sind, können solche Werkzeuge, sprich IT-Systeme, konzipiert, analysiert und der Reihe nach implementiert werden.

Derartige und weitere einfache Ideen können mit einem externen Blick rasch identifiziert und intern umgesetzt werden. Der Blick von außen hilft, eingefahrene Prozesse zu abstrahieren und damit neu zu denken. Öffentliche Verwaltungen werden dabei schnell feststellen, dass die größte Innovationskraft in ihren Mitarbeitenden steckt. Denn diese wissen haargenau, wo der Schuh drückt. Wurde erst ermöglicht, offen für anderes Arbeiten und neues Denken zu sein, können diese Themen auch mutig angegangen werden – und Resultate lassen nicht lange auf sich warten. Widerstand liegt oft in Gewohnheit begründet. Ist diese erst überwunden, finden Innovation und Transformation statt.


Katarzyna Capek ist bei der Business- und IT-Beratung Q_PERIOR als Account Portfolio Managerin für Kunden aus dem öffentlichen Sektor und der Industrie im DACH-Raum zuständig. Sie konzentriert sich auf Business- und IT-Beratung mit Fokus auf Digitalisierung und ist Expertin in Bereichen wie Erneuerungen und Migrationen von IT-Systemen, maßgeschneiderte Softwareentwicklung mit dem Einsatz von neuesten Technologien und Low-Code-Lösungen, Change Management, Projektmanagement, Data und Cyber Security.

Marcel Flügel ist Experte für Public Services & Security bei Q_PERIOR. Er setzt HERMES, IPMA, ITIL, IREB, SCRUM und SAFe sowie die Q_PERIOR-spezifischen Fähigkeiten in Projekt- und Change Management, neuen Technologien, Data, Cyber Security und Nearshoring für die nachhaltige Digitalisierung des öffentlichen Bereichs ein.

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