Dieser Artikel wurde in der Ausgabe März 2025 der gedruckten Kommunalwirtschaft abgedruckt.

Rubrik IT / Verwaltung / Security

Braucht Deutschlands Bürokratiedickicht eine Machete?

Von Andreas Michel,Mitgründer und CEO von Locaboo – 20.02.2025 – Lesezeit ca. 4 Minuten 108

Braucht Deutschlands Bürokratiedickicht eine Machete?

Die deutsche Wirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen: Digitalisierung, Klimawandel und geopolitische Spannungen erfordern schnelles und flexibles Handeln. Doch gerade jetzt holen uns jahrelang verschleppter Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung ein. Während sich Regierungen derzeit weltweit mal mehr, mal weniger nachahmungswürdig dem Um- und Abbau ihrer Bürokratie widmen, bleibt die Forderung hierzulande weiterhin Schlagwort. Für die künftige Bundesregierung böte sich eine große Chance, sich hier zu profilieren.

Die Dimensionen des Problems sind erdrückend: Jährlich entstehen der deutschen Wirtschaft Erfüllungsaufwände in Milliardenhöhe. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen leiden unter der Last der Berichts- und Dokumentationspflichten und Genehmigungsverfahren. Was ursprünglich auf Stabilität abzielt, entwickelt sich zunehmend zu einem destabilisierenden Faktor für das Land.

Bürokratie: Die Kraft, die stets das Gute will

Paradoxerweise entspringen die allseits beobachtbaren negativen Konsequenzen einer wachsenden Bürokratie stets den besten Absichten. Nach jeder Krise, jedem Skandal folgt der Ruf nach mehr Kontrolle, nach detaillierteren Vorschriften. Die Politik reagiert mit neuen Gesetzen und zusätzlichen Verordnungen. Das Ergebnis: Ein Flickenteppich, der bloß Symptome bekämpft und die ursprünglichen Ursachen für die unmittelbaren Probleme selten grundlegend löst.

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Nehmen wir das Beispiel der Gastronomie: Ein durchschnittlicher Restaurantbetreiber muss heute Dutzende von Auflagen beachten - von der Arbeitszeiterfassung über Hygienevorschriften bis hin zu Allergenkennzeichnungen. Jede Einzelne mag sinnvoll erscheinen, in ihrer Summe jedoch überfordern sie besonders kleinere Betriebe. Große Ketten hingegen haben dedizierte Abteilungen, die sich um deren Einhaltung kümmern und profitieren durch ihre standardisierten Geschäftsmodelle und Skaleneffekte.

Arbeit in der Verwaltung: Immer mit einem Bein im Gefängnis?

Auch in den Verwaltungen wächst die Frustration. Mitarbeitende verbringen einen Großteil ihrer Zeit damit, Dokumentations- und Freigabeprozessen, statt Vorhaben umzusetzen oder sich um Bürgeranliegen zu kümmern. So entsteht eine Fehlerkultur, in der selbst kleinste Entscheidungen durch mehrere Instanzen wandern. Der digitale Wandel, der eigentlich Erleichterung bringen sollte, verschärft die Situation noch: Statt Prozesse grundlegend zu überdenken, werden analoge Verwaltungsabläufe einfach digitalisiert - samt ihrer Ineffizienzen und Redundanzen.

Regulate smart, not hard

All das bedeutet nicht, dass wir etwa unsere Standards über Bord werfen sollten, sondern dass wir sie intelligenter und zielorientierter verwirklichen müssten. Um nur zwei Ideen zu nennen: Die Kommunikation zwischen Unternehmen und Behörden würde erleichtert, wenn ausschließlich auf konsequent durchdigitalisierte Lösungen gesetzt würde. Sprich, wenn nirgendwo mehr ein Dokument ausgedruckt und dann schlimmstenfalls erneut eingescannt werden muss. Und: Weniger persönliche Haftungsrisiken, mehr Rechtsberatung und Schutz vor Klagen, würden Verwaltungen und den Menschen, die in ihnen arbeiten, mehr Freiraum bieten, Probleme kreativ zu lösen und vom Verwalten ins Gestalten zu kommen.

Internationale Beispiele zeigen, dass es funktionieren kann: Estland hat seine Verwaltung radikal digitalisiert und vereinfacht. Singapur setzt auf "regulatory sandboxes", in denen neue Geschäftsmodelle unter vereinfachten Bedingungen getestet werden können – Immerhin Letzteres wird ab diesem Jahr auch zögerlich in Deutschland getestet.

Habe Mut, dich dem Risiko zu stellen

Die Zeit ist längst überfällig für einen Paradigmenwechsel. Denn Deutschland kann sein selbstgeschaffenes Regulierungsdickicht nun wirklich nicht länger ignorieren, während der globale Wettbewerb in vielen Bereichen an uns vorbeizieht. Der Weg zu einer schlankeren Verwaltung erfordert Mut - von der Politik, von der Verwaltung selbst und von der Gesellschaft. Wir müssen akzeptieren, dass nicht jedes Risiko durch Vorschriften eliminiert werden kann und dass Vertrauen manchmal besser funktioniert als Kontrolle. Erfolgreicher Bürokratieabbau bedeutet dabei nicht, den Staat aus der Verantwortung zu entlassen. Im Gegenteil: Ein effizienterer Staat kann seine Kernaufgaben besser wahrnehmen. Er kann schneller auf Krisen reagieren, Innovation fördern und echte Probleme lösen, statt sich in Details zu verlieren.

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