Dieser Artikel wurde in der Ausgabe der gedruckten Kommunalwirtschaft abgedruckt.
19.07.2023 – Lesezeit ca. 11 Minuten 64
Eine Gefahrensituation führt bei ungehindertem Ablauf des Geschehens zu einem Schaden, also zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung für Mensch, Sache und Tier, oder auch der Umwelt, der zu minimieren ist. Eine funktionierende KRITIS bildet die Versorgungsgrundlage unserer Gesellschaft mit z.B. Energie und Wasser. Dafür muss die Resilienz der heimischen Kommunen gesteigert werden, auch weil die hybriden Bedrohungen rasant zunehmen. Der Einsatz von KI und ChatGPT eröffnet den Angreifern ganz neue Möglichkeiten. Eine flächendeckende, aus-reichende Widerstandskraft gegen unterschiedlichste Notfall-, Sicherheits- oder Angriffsereignisse ist derzeit nicht gegeben. Eine intensive Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Gemeinde- oder Kreisebene ist nötig. In deutschen Amtsstuben besteht auf allen Ebenen dringender Handlungsbedarf beim Krisen- und Notfallmanagement!
Deutsche Kommunen sind für die Gesellschaft extrem wichtig, versorgen sie doch die Bevölkerung mit Strom, Energie, Wasser, öffentlichem Nahverkehr und vielen weiteren Dienstleistungen. Sie sind die Kritische Infrastruktur (KRITIS), die täglich von zahlreichen Herausforderungen, insbesondere Cyber-Attacken wie z.B. Phishing und Ransomware getroffen wird. Dann ist der Notfall ganz plötzlich da, stellt die Kontinuität in Frage und bringt Ämter und Dezernate aus dem Gleichgewicht und schadet erheblich.
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Denn der Notfall ist mehr als eine körperliche Verletzung; er ist unwahrscheinlich und unvorhersehbar, kommt plötzlich, unerwartet, ist ein unerwünschtes Ereignis, ist latent und kann dynamisch oder wandelnd sein, hinterlässt ein begrenztes Schadensereignis und kann auch zur Katastrophe mutieren. Sein Auftreten hat schwerwiegende Folgen und er kann sich anschleichen und plötzlich explodieren. Ihn schnell und erfolgreich zu bekämpfen ist oberstes Ziel! Dabei sollen Notfall-Instrumente wie ein Notfall-Management, ein Notfall-Konzept, ein Notfall-Handbuch, ein Notfall-Plan und Notfall-Checklisten zur Notfallbekämpfung genutzt werden. Hierzu müssen sie aber existieren, bekannt sein und immer wieder aktualisiert und die Anwendungen geübt werden.
Das Notfall-Management ist nur bedingt ein Schadenmanagement, nämlich wenn der Schaden eingetreten ist, ihn zu minimieren und schnell aufzuheben, damit die gewohnte Normalität wiederhergestellt werden kann. Notfall-Management ist auch nur bedingt, aber schon eher ein Risiko-management. Denn der Aspekt der Eventualität, dass mit einer unbekannten oder niedrigen Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten könnte, wird auch beim Notfall-Management betrachtet.
Das kommunale Notfall-Management vor dem Notfall ist: sich Gedanken, einen Plan über potentielle, unerwünschte, gefährliche Situationen zu machen, deren Eintreten sehr unwahrscheinlich, aber andererseits jederzeit möglich ist, also die Vorbereitung auf die nötigen Reaktionen auf solch außergewöhnliche Schadensereignisse mit dem Ziel der Schadens-begrenzung, ja Schadensminimierung. Eine rechtzeitige Prävention ist unerlässlich.
Ihr Notfall-Management während des Notfalls gebietet: Notfall-Handbuch abarbeiten und Schadensminimierung anstreben. Die Kommunikation aufrecht halten. Den Status Quo prüfen und die Maßnahmen immer wieder anpassen. Nutzen Sie aber auch Ihre Intuition, Ihre direkte Wahrnehmung der Sachverhalte. Bewahren Sie Ruhe, strahlen Sie Zuversicht aus und kommunizieren Sie Ihre Absichten. Das ist dann eine entschlossene Notfall-bekämpfung, ja Intervention.
Das Notfall-Management nach dem Notfall bedeutet: Daten sammeln und die Ursachen und Wirkungen auswerten und in das Notfall-Konzept einfließen zu lassen, damit das Risiko einer Notfallwiederholung minimiert, ja ausgeschlossen werden kann. Postvention, die sich beim nächsten Notfall auszahlen wird!
Das Notfall-Konzept ist der Masterplan zur Schadensminimierung als Antwort auf ein Notfallszenario. Dieses beinhaltet das Notfall-Management, das Notfall-Handbuch und die Notfall-Pläne nebst Sub-Notfall-Plänen. Dieses Konzept ist weit mehr als eine Gefährdungsanalyse und sie ermöglicht der Amts-, oder Behördenführung ein verantwortungs-volles Handeln. Ihr Notfall-Konzept ist der Masterplan für alle weiteren Schritte. Aus diesem Rahmen heraus werden die Notfall-Pläne so erstellt, als dass Sie sich innerhalb des Gesamtrahmes befinden und aufeinander abgestimmt werden. Nur dann sind sie effizient und machen Sinn.
Das Notfall-Handbuch ist das präventive Sammelwerk aller wichtigen Informationen für ein Amt, die Behörde und die Organisation und das Regelwerk zur Orientierung im Notfall, aber vor allem zur Umsetzung definierter Regelungen, um den Schaden zu minimieren. Der Notfall-Plan ist eine Verhaltensanweisung, ein Plan zum Normalzustand. Er ist die konkrete Abarbeitung von Szenarien, um Schadensauswirkungen zu minimieren. Hier dienen etablierte Abläufe und Meldewege. Er ist präventiv (im Normalfall) zu erstellen und ständig zu aktualisieren, bzw. der Gefahrenlage anzupassen. Die Notfall-Checkliste ist Teil des Notfall-Plans und ist auch präventiv zu erstellen. Handlungsanweisungen müssen übersichtlich, nicht zu lange, klar und detailliert formuliert werden. Geschlossene Fragestellungen (ja/nein) sind zu bevorzugen.
Die Covid-19-Pandemie hat schonungslos dargelegt, wie schlecht Deutschland auf außergewöhnliche Herausforderungen vorbereitet ist. Der Krieg in der Ukraine hat offengelegt, wie schlecht die Bundeswehr über Dekaden hinweg verwaltet wurde und wie ungenügend ausgerüstet sie doch ist. Auch in deutschen Kommunen wurden Missstände hingenommen, Innovationen verschleppt und Präventionen und Notfall-Konzepte wurden vernachlässigt und fehlen in manchen Ämtern komplett, weil wir uns bis heute in einer Scheinsicherheit befinden und es uns generell von Jahr zu Jahr besser ging.
Der seit 1950 stetig wachsende Wohlstand täuschte ein Zeitalter des Friedens vor. Krisen, Kriege und militärische Konflikte waren -wenn überhaupt erwähnenswert- weit weg; wie z.B. in Vietnam 1955-1975, oder in Afghanistan 1979-1989. Erst der näher nach Europa kommende Jugoslawien- oder Balkankrieg 1991-2001 mit den damaligen Flüchtlings-strömen zeigte, dass unsere Kommunen diesem Ansturm der hundert-tausend Flüchtlinge und der Vertriebenen nicht gewachsen waren. Mit der finanziellen Beteiligung am Irakkrieg 2003 spürten die Finanzverwaltungen erstmals monetäre Belastungen an einem Krieg, der gefühlt doch weit weg war. Der Krieg in Syrien und die dann folgende Flüchtlingskrise 2015/16 zeigte einmal mehr, dass aus der Vergangenheit nur sehr wenig gelernt wurde, schon gar keine Postvention stattfand, die einer Prävention als Schutz für zukünftige Herausforderungen dienlich sein könnte. Diesmal waren es über eine Million Schutzsuchende die flohen. Kapazitätsprobleme, Konflikte zwischen den Flüchtlingen und die hiesige Willkommenskultur forderten erneut die Kommunen heraus. Und auch heuer sind die Kommunen im Umgang mit den weit über einer Million Flüchtenden aus der Ukraine und Nordafrika überfordert, weil finanziell, personell und materiell nicht ausreichend unterstützt und auch hausintern wieder einmal nicht genug vorbereitet.
Die Antwort auf zahlreiche Warum-Fragen ist nicht schwer: Kommunen, Landkreise, Regierungsbezirke und Länder müssen sich neben dem Bund auch gegen unwahrscheinliche und unvorhersehbare, vielleicht unerwartete und anschleichende Notfallereignisse viel besser vorbereiten. Solche Schadensereignisse können die Kommune und all ihre Bürger direkt, mittelbar oder kollateral schädigen. Viele Menschen denken ja nicht, dass es einen selbst erwischen kann und stellen sich solch eine komplett unvorhersehbare Entwicklung erst gar nicht vor und schweben in einer Blase und träumen weiter von der sicheren Welt. Ja, Notfall-Management und präventive Maßnahmen kosten viel Geld. Aber nur einen Bruchteil der Kosten die anfallen, wenn ungeschützt in die Krise oder Katastrophe marschiert wird.
Der öffentlichen Hand ist es bisher nur wenig gelungen, ihre IT-Infrastrukturen entsprechend zu schützen. Neben der Sensibilität für mögliche und unwahrscheinliche Notfälle, fehlt auch der Blick auf Risiken und das Bewusstsein für ganzheitliche IT-Sicherheitslösungen, also der hohe Stellenwert der nötigen Sicherheit und durchgängiger Lösungen. Darum hat die EU die NIS 2 (Netz- und Informationssysteme Sicherheit) -Richtlinie überarbeitet, die spätestens im nächsten Jahr national umgesetzt werden muss. Somit ist der wirksame Schutz nachzuweisen, um die Aufrechterhaltung des Geschäftsmodells sicherzustellen.
Viele Einrichtungen der öffentlichen Hand tun sich beim Schutz ihrer Infrastruktur noch schwer. Materielle, finanzielle und personelle Ressourcen sind überschaubar und die Grundsensibilität gegenüber der Notwendigkeit und des Stellenwertes von Sicherheitsmaßnahmen, ist meist nicht ausgeprägt, oft nicht vorhanden. Ständige Anpassungen schützen vor Attacken jeglicher Art. Der Einsatz von Artificial Intelligence (AI), oder besser Künstlicher Intelligenz (KI), wird das Leben der Verwaltung bei der Eigennutzung etwas erleichtern und gleichzeitig erheblich erschweren, weil potentielle Cyber-Attacken noch professioneller gehandhabt werden, ja fast schon automatisiert sind. Denn der Aufwand der Täter wird sich deutlich verringern und Cyber-Attacken und das Eindringen in IT-Strukturen wird ihnen erleichtert.
Schnell ist von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter in der Verwaltung eine Phishing-Mail geöffnet und ermöglicht dem Angreifer das Eindringen in das Verwaltungssystem, was oft zulange unbemerkt bleibt. Zur Kontaktaufnahme und Kontaktpflege bei Verwaltungen werden neuerlich und mit Hilfe von KI und CHAT GPT (Generative Pretrained Transformer) sogenannte Fake-Person genutzt. Das sind Profile von Menschen, die es nicht gibt. Sie vernetzen sich mit realen Personen, fälschen Stimmen und nutzen diese für Sprachnachrichten, geben sich als Partner einer Organisation oder einer Institution aus und schon wird kräftig kommuniziert und Daten werden ausgetauscht.
Das Bedrohungspotential steigt also täglich weiter an. Vielen Amtsleitern ist das bewusst, doch eine gute Umsetzung der Abwehrmechanismen oder das Erstellen von Notfall-Handbüchern dauert; dauert viel zu lange. Hilfreich und nötig ist die Transformation. Aber sie ist kein einmaliger Prozess. Sie ist ein Synonym für ewige Strukturreform und ist die vorausschauende Gestaltung eines permanenten Prozesses zur Anpassung an die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen mit dem Ziel der Erhöhung von Wirksamkeit. Eine erfolgreiche Notfallbekämpfung gelingt nur, wenn der Notfall richtig gedeutet und bekämpft wird. Aber auch neue Herausforderungen wie z.B. die Digitalisierung und die Umsetzung und Integration von Nachhaltigkeitsregelungen wie der ESG (Environmental, Social, Governance) -Richtlinie und der EU-CSRD (Corporate Sustainability Reporting) -Directive in der Kommunalfinanzierung haben einen sehr hohen Stellenwert, denn die Aussicht auf tiefere Kreditzinsen ist hervorragend, wenn nachhaltige Kriterien erfüllt werden.
Die Kommunen stellen das Grundnahrungsmittel Nummer eins -Wasser- für den Menschen, für die Tiere, für die Wirtschaft und Industrie bereit, weshalb sich viele Menschen noch keine Sorgen um sauberes Wasser machen müssen. Circa eine Milliarde Menschen haben derzeit keinen Zugang zu sauberem Wasser oder zu Trinkwasser und eine wachsende Bevölkerung führt zu steigendem Wasserbedarf, dem abnehmende Grundwasserreservoirs gegenüberstehen, auch weil die Sommer immer trockener und heißer werden. Die Kommune muss sich also Gedanken zum Schutz und zur Verteidigung von Wasserwerken, Wasserbehältern, Wasserreservoirs, Quellen und Zisternen, Pumpenanlage, Talsperren, Staumauern und Staudämmen, sowie für Kläranlagen machen. Aber auch für den Wasserkreislauf müssen neue Überschwemmungsgebiete und Schwammgauen angelegt und begradigte Flüsse wieder renaturiert werden, da die Stark- und Dauerregen an Intensität zunehmen. Was passieren kann, wenn ein Staudamm die Wassermassen nicht mehr zurückhalten kann, sah man im Juni 2023 in der Ukraine am Kachowka Staudamm. Und selbst wenn das Wasser dann abgelaufen oder verdunstet ist, bleiben oft nur Schlamm und Krankheitserreger. Dann ist das Gesundheitssystem gefordert, um diese Kollateralschäden der Verklappung, der Gifte und Dünger im Wasser zu bekämpfen. Personelle und materielle Ausstattungen rund um das Thema Wasser, bis hin zu einem Contracting für materielle Ausstattungen wie Filteranlagen und Ersatzteile, sowie die Beachtung der Umsysteme sind unabdingbar. Ebenso müssen Cyber-Attacken auf Wasserwerke und Wasserleitungssysteme durch ein Frühwarnsystem erkannt und dann auch bekämpft werden. Die Wassernutzung muss vernünftig sichergestellt sein und die Kommunen müssen den hohen Nutzungsansprüchen täglich gerecht werden. Weil die Sonne zu viele Wasservorkommen austrocknet, regulärer Landregen seltener, Grundwasser knapper und aus Flüssen/Seen -aus unterschiedlichsten Gründen- zu viel Wasser abgeleitet wird, müssen sich Kommunen schon auf Wasser-Rationierungen vorbereiten. Wie werden diese dann verlaufen? Wird die Industrie zuerst mit Wasser versorgt und Haushalte holen sich mit Kanistern das Wasser im Amt ab? Sicher ist wohl, dass Flora und Fauna recht spät das kostbare Nass bekommen werden und dass Konflikte auf Kommunalebene dann zu Kriegen auf Bundesebene mutieren können.
Die Covid-19-Pandemie hat es rücksichtslos offengelegt. Nur jede fünfte Kommune hat einen Notfallplan. 80% aller Bürgermeister- und Landratsämter wissen das Potential eines Notfall-Konzeptes nicht zu nutzen, obwohl es auch Leben retten kann, was im Ahrtal 2021 bitter nötig gewesen wäre.
Kommunen müssen hierzulande neben ihren regulären Arbeiten immer öfter und immer intensiver schwerwiegende Herausforderungen und Krisen, sowie die Abwehr von täglich zunehmenden Cyber-Attacken auf ihre IT-Strukturen und weitere Schadensereignisse bearbeiten und ihre Dezernate und Ämter schützen. Wenn Bürger ihre Kommune tagelange über Telefon, Fax oder Internet nicht erreichen können, sind diese Amtsstuben nicht ausreichend vorbereitet.
Notfälle wie das SARS-CoV-2 Virus im Jahr 2020, die Naturkatastrophe im Ahrtal in 2021, der Krieg in und die Flüchtlinge aus der Ukraine in 2022 und die Energiekrise seit 2023, rauben den Behörden kostbare Zeit und hinterlassen Schäden, die es zu minimieren gilt. Welches potentielle Schadensereignis wird zeitnah das Gleichgewicht Ihrer Kommune stören? Ist die Sicherheit Ihrer Kommune gefährdet? Ist z.B. ein Schaden oder ein Angriff auf Ihre IT-Struktur latent?
Fragen, deren Antworten Ihnen Ihre gewohnte Sicherheit aus dem Leibe reißen können. Denn bei Missdeutungen oder fehlender Sensibilität der Amtsträger und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, kann die gesamte Kommune in einen Konflikt, in eine Krise oder in eine Katastrophe geraten; dann ist es plötzlich ein ganz kurzer Weg nach Abaddon, wo dann mit Waffengewalt ein Wille eines Dritten jemanden aufgezwungen werden kann. Kommunen sind die Herzkammer unserer Gesellschaft. Sie müssen insbesondere durch die Prävention als Mittel zur Verkleinerung von Risiken, mehr denn je geschützt werden und zum Selbstschutz bereit sein.
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