Von Andreas Michel, Mitgründer und Managing Director bei Locaboo – 22.05.2024 – Lesezeit ca. 4 Minuten
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Allein in diesem Jahr schätzt der Deutsche Städte- und Gemeindebund das kommunale Defizit auf satte 10 Milliarden Euro. Geld, das an vielen Ecken und Enden fehlt: sei es bei der Bewältigung der Wärme- und Energiewende, der Digitalisierung der Verwaltung oder der Versorgung von Geflüchteten. Die Liste der aktuellen Herausforderungen ist lang, doch die Ressourcen sind begrenzt.
Strategische Planung statt Bauchgefühl
Die schlechte Finanzierungslage, eine lange Liste konkurrierender Prioritäten und nicht zuletzt der Klimaschutz zwingen Kommunen geradezu, mehr Effizienz im Bestand anzustreben. Dafür braucht es vor allem mehr Planung statt Bauchgefühl. Die Bekämpfung von Leerständen und eine bessere Auslastung kommunaler Liegenschaften etwa, bergen enormes Potenzial. Der Mehrverbrauch, der hier eingespart werden kann, liegt schätzungsweise in der Größenordnung des Outputs einiger Kohlekraftwerke.
Daten, Daten, Daten
Für so eine Planung brauchen Städte und Gemeinden zunächst eine bessere Datengrundlage. Die Idee der Smart City muss vom Marketingjargon zur Realität werden. Darauf aufbauend können dann Abläufe automatisiert und weiterführende Analysen durchgeführt werden. Eine manuelle, analoge Dateneingabe, -übertragung sowie -haltung steht der Einführung digitaler Prozesse im Weg. Das ist nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern führt zu einer höheren Fehleranfälligkeit und letztlich zu einem großen Zeit- und damit auch Personalaufwand. Personal, das in vielen Verwaltungsbereichen in Zukunft aufgrund des Fachkräftemangels weniger werden dürfte – bis 2030 bis zu 30 %.
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Digitalisierung als Standortfaktor
Ein hoher Automatisierungsgrad der Verwaltungsarbeit setzt mehr personelle Ressourcen für den direkten Bürgerkontakt und einen besseren Service frei. Eine effiziente Nutzung von Ressourcen und Liegenschaften kann zu nennenswerten finanziellen Entlastungen beitragen. Eine digitalisierte Verwaltung bestehender Gebäude kann zum Beispiel dazu führen, dass ein geplanter Neubau überflüssig wird. Bürger:innen profitieren, da Angebote online besser sichtbar gemacht und einfacher genutzt werden können. Alles Faktoren, die auch die Attraktivität einer Gemeinde steigern.
Digitale Transformation gelingt nur ganzheitlich, vernetzt und dezentral
Es wäre zu kurz gedacht, die Digitalisierung auf einzelne Maßnahmen zu reduzieren. Eine ganzheitliche, vernetzte und dezentrale Transformation ist vonnöten. Was meine ich damit? Es ist nichts gewonnen, wenn nicht ausnahmslos alle Aspekte der Verwaltungsarbeit langfristig digitalisiert werden. Schlimmstenfalls würden wir die Situation durch die Medienbrüche zusätzlich verschlimmern. Gleichzeitig darf es keine Insellösungen geben. Daten müssen frei und sicher zwischen den Systemen fließen können. Für eine intelligente Bedarfsplanung muss ich Daten aus unterschiedlichsten Quellen kombinieren können. Zu guter Letzt müssen die Fachbereiche ihre spezifischen Anforderungen und ihre Expertise einbringen können. Wenn etwa ein simples, aber dringend benötigtes Formularfeld fehlt, lassen sich Mitarbeitende vielleicht Workarounds einfallen, die viele Folgeprobleme nach sich ziehen können.
Alle müssen an einem Strang ziehen
Es braucht eine gemeinsame Vision, wie die digitale Verwaltung in Zukunft aussehen soll. Statt Einzelkämpfertum braucht es mehr Austausch von Best Practices in Kommunen und eine Förderung der Zusammenarbeit mit Lösungsanbietern, insbesondere Start-ups. Wer eine souveräne, den hiesigen Werten und Standards verpflichtete IT-Landschaft fordert, muss dieser Wachstumschancen bieten. Kommunen benötigen neben finanzieller Unterstützung des Bundes einen gesetzlich klar geregelten, gemeinsamen Beschaffungsprozess auf Länderebene. Eine zentrale (trotzdem niedrigschwellige, da sonst große Player bevorzugende), regelmäßige Evaluation existierender Lösungen anstelle übermäßigem Föderalismus wäre ein entscheidender Schritt. Konkreter: Die Datenschutzprüfung für ein- und dieselbe Lösung muss z. B. nicht hundertfach wiederholt werden.
Die Zeit ist jetzt
Meine These lautet: Für Entscheider:innen in der Verwaltung ist es zukünftig unerlässlich, Entscheidungen datenbasiert zu treffen. Ob es uns lieb ist oder nicht, die steigende Komplexität unserer immer durchdigitalisierteren Welt macht vor der kommunalen Verwaltungsarbeit keinen Halt. Die Frage ist lediglich, ob Kommunen warten, bis sich das Zeitfenster für eine aktive Gestaltung der Transformation in eine kostspielige Aufholjagd verwandelt.
Über Andreas Michel
Andreas Michel, Mitgründer und Managing Director von Locaboo, zählt zu den Pionieren im GovTech-Bereich. Dank seines Hintergrundes im Innovationsmanagement ist Michel vertraut damit, etablierte Prozesse neu zu denken. Zudem ist er ein erfahrener Produktentwickler mit Stationen bei Unternehmen wie SPENDIT und der SOFORT AG. Locaboo unterstützt bereits über 500 Kommunen bei einer innovativen, zukunftsorientierten Stadtentwicklung.
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