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Rubrik Allgemein

Warum will keiner mehr putzen?

07.02.2024 – Lesezeit ca. 11 Minuten 61

Warum will keiner mehr putzen?

Der Personalmangel in der Gebäudereinigung nimmt bedrohliche Ausmaße an. Dienstleister und Kommunen als Auftragnehmer sind gleichermaßen gefordert. Es geht um Qualitätssicherung und eine angemessene Bezahlung.

Spektakuläre Presseberichte darüber, dass Eltern die Schultoiletten ihrer Kinder selbst putzen, sind zwar selten. Sie sind aber ein Indiz für ein schon länger schwelendes Problem: Es gibt zu wenig Reinigungskräfte und es wird nicht mehr richtig sauber gemacht. Auch Lehrer müssten zum Besen greifen, kritisiert Andreas Bartsch, Präsident des Lehrerverbandes NRW. Verdreckte Klassenzimmer und stinkende Toiletten seien schlichtweg untragbar1. Zwar haben Gerichte entschieden, dass Arbeitnehmer nicht zu Reinigungstätigkeiten gezwungen werden können. Aber wer will schon im Dreck versinken? Beispielsweise nicht die Mitarbeiter der Schweriner Staatskanzlei. Auf deren ausdrücklichen Wunsch, so die Landesregierung, seien Akku-Staubsauger beschafft worden.2 Man wolle „aus hygienischen Gründen im akuten Bedarfsfall, zum Beispiel bei erhöhtem Schmutzeintrag, vor dem nächsten regulären Reinigungsdurchgang eine punktuelle schnelle Reinigung der Büros ermöglichen“. Kurz zuvor war das Budget für die externen Reinigungsleistungen um 1,2 Millionen Euro gekürzt worden. Das Ganze sorgte für Aufregung im Landtag und für eine breite Publizität.

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Nicht alles gelangt an die Öffentlichkeit. „Was immer wieder in Verwaltungsgebäuden vorkommt, ist, dass die Beschäftigten ihre Mülleimer selbst leeren oder die Tische nur einmal die Woche oder seltener abgewaschen werden“, so Ulrike Laux, Mitglied im Bundesvorstand der IG Bauen-Agrar-Umwelt und unter anderem zuständig für den Bereich Dienstleistungen. Es gebe viele Beispiele. Namen würden aber ungern genannt. Ein Blick in die „Fläche“:3 Auch die Stadt Freiburg spürt die Auswirkungen der Personalengpässe. „Bisher führt dies zu keinen Ausfällen. Wir sehen aber, dass Leistungen öfters zeitverzögert oder nicht in der vertraglich vereinbarten Qualität erbracht werden“, berichtet Pressesprecher Toni Klein. Auch komme es vor, dass sich weniger Dienstleister an Ausschreibungen beteiligten als früher. Weniger Wettbewerb wirke sich zudem immer auf die Preisgestaltung aus. Natürlich komme es nicht infrage, dass Eltern die Schultoiletten selbst reinigen müssten: Es mehrten sich allerdings die Schlechtleistungen, heißt es von der Stadt Saarlouis. Im zweiten Halbjahr 2023 sei es erstmals dazu gekommen, dass Dienstleister wegen Personalmangels nicht an Ausschreibungen teilnehmen konnten. Weil der Markt stark umkämpft sei, kalkulierten viele Bieter mit spitzem Bleistift und könnten dies, wenn später nicht bedachte Umstände aufträten, nur schwer kompensieren, berichtet Ina Fester, Pressesprecherin der Stadt Magdeburg. Daraus resultierten viele Defizite bei der Leistungserbringung.

Die Stadt Braunschweig hat seit einiger Zeit Schwierigkeiten, zuverlässige Dienstleister für Glasreinigungsarbeiten zu bekommen. „Im Jahre 2023 haben mehrere Reinigungsfirmen ihre Aufträge gekündigt, beziehungsweise führen sie nicht mehr aus, oder sie beauftragen fachlich nicht ausreichend qualifizierte Sub-Unternehmen. Das betrifft überwiegend Schulen, da den Firmen in den Ferien Reinigungspersonal fehlt“, berichtet Wilhelm Eckermann, Leiter des Fachbereichs Gebäudemanagement. Anfragen bei anderen Reinigungsfirmen hätten ergeben, dass die Firmen aus Personalmangel nur noch in geringem Umfang Glasreinigungsaufträge übernehmen können.

Weniger Personal, mehr Leistung

Für Holger Knuf, Geschäftsführer des i²fm – Internationales Institut für Facility Management, ist vieles davon nicht überraschend. Reinigungsfirmen fehle zwar Personal. Sie versprächen dennoch die gleiche oder sogar noch mehr Leistung. Dass damit sozusagen der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird, liegt auf der Hand. Reinigungskräfte arbeiten am Limit, werden regelmäßig angepampt, weil das Ergebnis verständlicherweise zu wünschen übrig lässt, und haben schließlich die Nase voll. Sie kündigen. Andere machen gleich einen großen Bogen um die Branche, denn der Arbeitsmarkt bietet genügend Alternativen. Die Zahl der Auszubildenden im Beruf des Gebäudereinigers hat sich binnen zehn Jahren auf 1.598 Ende 2022 halbiert4 und die Zahl der in diesem Handwerk insgesamt Beschäftigten (2022: 657.000) sinkt seit 2019 kontinuierlich. Dem gegenüber steht ein, nur durch die Pandemie unterbrochener, Anstieg der Nachfrage nach Reinigungsdienstleistungen. Wenn aber, wie bei Gebäudeservices der Fall, der Personalanteil an der Wertschöpfung bei rund 95 Prozent liegt, gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Nachfrage in Umsatz umzumünzen: Das vorhandene Personal muss in der gleichen Arbeitszeit noch mehr putzen, falls nötig, bis zum Anschlag. Oder es werden keine Mindestlöhne gezahlt oder Arbeitszeitregeln nicht eingehalten.
Juristisch trifft zwar die Betreiberverantwortung, aber wo das Wissen fehlt, gibt es auch kein schlechtes Gewissen. Laut dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks sind „schlecht gemachte Ausschreibungen“ für die Lage mitverantwortlich. Und in Berlin, aber nicht nur dort, seien „unseriöse Beratungsfirmen“ aktiv geworden. Geschäftsmodelle, bei denen Honorare der Berater prozentual von den durch die Ausschreibung erzielten Einsparungen abhängig gemacht wurden, führten „zur Maximierung der Einsparungen mit dem Ergebnis sinkender Dienstleistungsqualität in den Projekten, in denen Beratungsunternehmen eingeschaltet worden waren". Mit anderen Worten: Bloßes Cost-Cutting führt in die Sackgasse.

Kommunen seien sowohl haushaltsrechtlich als auch vergaberechtlich verpflichtet, Aufträge und Dienstleistungen nur an die wirtschaftlichsten Bieter zu vergeben. Dieser Verpflichtung zur sparsamen Haushaltsführung kämen sie auch bei der Beauftragung von externen Reinigungsunternehmen nach, betont Finn Brüning, Referatsleiter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DSTGB). Dass sich die beauftragten Unternehmen an arbeitsrechtliche Vorgaben wie etwa den Mindestlohn halten, werde selbstverständlich vorausgesetzt. „Der wirtschaftlichste Bieter muss aber nicht unbedingt der günstigste sein. Effektive und moderne Konzepte werden jedoch insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen nur selten abgefragt oder zur Bewertung mit herangezogen“, hakt Marc-André Eickholz ein. Er ist Geschäftsführer der auf infrastrukturelles und technisches Facility-Management spezialisierten Niederberger Gruppe.5 Nach seiner Erfahrung fehle den zuständigen Abteilungen oftmals die spezifische Fachkompetenz, was sie nicht nur daran hindere, eine qualifizierte Entscheidung zu treffen, sondern auch daran, eine solche unangreifbar zu begründen. So komme es immer wieder zu einem „Wettkampf der Billigsten“, bei dem am Ende alle draufzahlten, weil sich zum billigsten Preis die erforderliche Leistung nicht erbringen lasse. Eine angemessene Gewichtung der Zuschlagskriterien, etwa „70 % Preis, 30 % Konzeption/Leistung“ wirke dem erwiesenermaßen entgegen. Eickholz: „Natürlich müssen die erarbeiteten Konzepte dann auch von allen Beteiligten gelebt werden." Das funktioniert aber nur mit qualifiziertem Personal. Die Schwierigkeiten, solches zu finden, sind laut DSTGB in erster Linie ein deutliches Indiz für den insgesamt zunehmenden Arbeitskräftemangel in Deutschland.

Der Ruf färbt auf alle ab

Das beantwortet aber nicht die Frage, warum ausgerechnet in der Gebäudereinigungsbranche ein regelrechter Exodus von Mitarbeitern in andere Tätigkeiten stattfindet, und zwar auch dorthin, wo der Lohn keinen Cent höher ist. Experte Knuf sagt es mit anderen Worten: „Wenn Mitarbeiter abwandern, sind die ja nicht ganz verschwunden, sondern nur woanders.“ Eine mangelhafte Dienstleistungssteuerung ebne auch schlecht aufgestellten und unseriösen Anbietern den Weg. „Diese wiederum demotivieren oder und vertreiben ihr Personal und lassen am Ende reihenweise unzufriedene Kunden zurück“, ergänzt Marc-André Eickholz, Geschäftsführer der auf infrastrukturelles und technisches Facility-Management spezialisierten Niederberger Gruppe.6 Häufig seien es gar keine regulären Handwerksbetriebe, aber der Ruf färbe auf alle ab. Dienstleistung funktioniere nur unter der Voraussetzung, dass der Personaleinsatz bedarfsgerecht kalibriert und fair bezahlt werde. Ein Beispiel sind ergebnisorientierte Dienstleistungsverträge. Bei diesen werden keine detaillierten Leistungsgerüste definiert, sondern lediglich die gewünschten Ergebnisse wie „sauber“. Aber was heißt das genau? „Der Begriff sauber wird unterschiedlich interpretiert. Die Kosten der Reinigung zu reduzieren, geht immer wieder auf Kosten der Reinigung“, so Gewerkschafterin Laux. Mit anderen Worten: Der Auftraggeber tut sich selbst gar keinen Gefallen, wenn er den Prozess der Leistungserbringung ausblendet. Eickholz: „Egal, um welche Vertragsform es sich handelt: Ein gutes Gebäudemanagement steht mit seinem Dienstleister in einem ständigen Austausch und weiß genau einzuschätzen, welches Qualitätslevel es für seine Vergabe erwarten kann. In der Regel jedenfalls besser als viele angeblich spezialisierte Einkaufsberater, von denen das Ausdünnen von Leistungen bis hin zu Strafzahlungen für versehentlich nicht geleerte Papierkörbe zu fünf Euro das Stück zur ‚Strategie‘ erhoben wird.“
Gleiches gilt für beraterseitig empfohlene „Servicebroker“, die sich zwischen Auftraggeber und weitere Dienstleister schieben. Versprochen werden Skaleneffekte durch Großbündelungen von 20 Prozent und mehr. „Viele glauben dem Märchen tatsächlich. Das ist hochgradiger Unsinn, denn das geht zulasten der Mitarbeiter und führt zu erheblichen Problemen“, so Holger Knuf.7 In Facility Services unerfahrene Einkaufsabteilungen leisteten dem Übel leider Vorschub. Viele hätten kaum eine Ahnung von Dienstleistungen und ihrer Erbringung, seien aber felsenfest davon überzeugt, Kalkulationen einschätzen und drücken zu können. Bei Bauaufträgen würde sich niemand trauen, von geltenden Normen abzuweichen. Bei der ISO 9001 (Qualitätsmanagement-System), der DIN EN 13549 (Erhalt der baulichen Substanz), der ÖNORM D 2050 (Leistungskennzahlen) oder der RAL GZ-902 (Qualität und Tariftreue) geschieht dies täglich.

Umdenken erforderlich

Das ifm fordert seit Jahren ein grundlegendes Umdenken in der Bewertung von Gebäude-Dienstleistungen. Vom Personalbestand hänge schließlich die Performance und die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche ab. Um qualifizierten Berufsnachwuchs zu gewinnen, setzt die Niederberger-Gruppe inzwischen auf die Social-Media-Fähigkeiten ihrer Auszubildenden. Diese „trommeln“ sozusagen digital via Facebook. Das Unternehmen mit zwölf Niederlassungen in Deutschland bietet inzwischen sogar bezahlte Praktika im Berufsfeld Gebäudereiniger. Eickholz: „Das persönliche Gespräch und Erleben des Arbeitsplatzes sind die beste Werbung.“ Und es ist eine gute Methode, sich vom vorauseilenden Ruf der Branche zu unterscheiden. Dies gelingt allerdings nur Dienstleistern, die neben dem „Saubermachen“ auch ihr unternehmerisches Handwerk verstehen. Ein offener und vertrauensvoller Umgang – auch mit „Mindestlöhnern“ – sei essenziell. Diesbezüglich müssten sich auch Auftraggeber an die eigene Nase fassen und den Umgang mit den Mitarbeitern ihrer Dienstleister auf den Prüfstand stellen, so Knuf. Zudem gelte es, in Führungskräfte zu investieren, etwa mit regelmäßigen Schulungen, und die Organisation zu verbessern. Mitarbeiter würden häufig „regelrecht sauer gefahren“. Sie müssten häufig improvisieren, weil Krankmelde-, Kontroll- und Abnahmefahrten sowie Lager- und Logistikprozesse unzureichend seien. In den Prozessen gebe es „eine Menge Luft nach oben“. Gleichzeitig bestehe die Chance, durch intelligente Servicekonzepte Kosten zu reduzieren beziehungsweise höhere Stundenpreise zu kompensieren und damit zugleich dem Personalmangel Rechnung zu tragen.
„Deutlich mehr Menschen wären an einer Tätigkeit im Gebäudereiniger-Handwerk interessiert, wenn verstärkt zusammenhängende Arbeitszeiten am Tag möglich wären“, sagt Thomas Dietrich, Bundesinnungsmeister des Gebäudereiniger-Handwerks.8 Damit spielt er den Ball zu den Auftraggebern, die sich mit diesem Thema nicht so recht anfreunden können. Vor allem innerhalb von Büro- und Publikumsflächen sei dies nur schwer umsetzbar, heißt es häufig. Aber auch hier bewegt sich etwas. Die Stadt Magdeburg startet an einigen Schulen einen Modellversuch, bei dem nicht mehr in den Abendstunden nach Schulschluss gereinigt wird, sondern während des laufenden Schulbetriebs. „Ziel ist es, mehr Respekt und Aufmerksamkeit gegenüber den Reinigungsleistungen zu und mehr Motivation bei den Reinigungskräften zu erzeugen“, so Sprecherin Ina Fester.9 Auch die Stadt Chemnitz arbeitet daran, Reinigungsleistungen vermehrt tagsüber durchführen zu lassen, um dafür leichter Personal zu finden. „Dazu laufen Gespräche mit Schulleitungen und Reinigungsunternehmen“, so die Pressestelle der Stadt.10 Die sukzessive Verlagerung bestimmter Tätigkeiten von den Nacht- und Randzeiten in mitarbeiterfreundliche Zeiten können ein Einstieg in das Konzept Tagreinigung auch in der öffentlichen Verwaltung sein. So wie dies während der Pandemie sogar im Einzelhandel auf große Zustimmung bei den Kunden gestoßen sei, ergänzt Unternehmer Eickholz. Dies habe einen doppelten Effekt. Er komme nicht nur den Mitarbeitern entgegen, sondern spare gegebenenfalls auch Nachtzuschläge. Voraussetzung sei natürlich, dass die Mitarbeiter für den „öffentlichen“ Einsatz geschult würden. Dafür gebe es allerdings bereits praxiserprobte Programme.

Taktzahlen reduzieren

Eine praktikable Möglichkeit, mit Personalengpässen umzugehen, sei die vorübergehende Verlängerung von Service-Intervallen. Auf der Skala von gesetzlich vorgeschriebenen, für die Nutzung notwendigen und wünschenswerten Maßnahmen gebe es Möglichkeiten für eine vorübergehende Herabsetzung der Taktzahl. Beispielsweise sei es nicht erforderlich, auf jedem Aktenschrank im Wochenrhythmus Staub zu wischen, eine Feuchtreinigung von Schreibtischen dagegen zwingend. Dienstleister und Gebäudemanager müssten die Leistungsgerüste gemeinsam austarieren.


  1. https://www.nrz.de/region/niederrhein/dreckige-schul-klos-experte-empoert-das-ist-ein-skandal-id238033267.html.
  2. https://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/dokument/50517/kuerzung_der_reinigungsleistungen_in_liegenschaften_des_landes_und_beschaffung_von_akku_staubsaugern.pdf.
  3. Schriftliches Interview
  4. ttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/151967/umfrage/auszubildende-im-deutschen-gebaeudereiniger-handwerk
  5. Schriftliches Interview
  6. Schriftliches Interview
  7. PM Gebäudereiniger-Handwerk
  8. Schriftliches Interview
  9. Schriftliches Interview
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