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Dieser Artikel wurde in der Ausgabe der gedruckten Kommunalwirtschaft abgedruckt.
Weltweit erstes Experimentierfeld zur Friedhofsentwicklung
29.06.2023 – Lesezeit ca. 3 Minuten
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Trauer ist nicht nur ein zuweilen labiler Zustand, der jeden von uns betrifft, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe: Wir alle trauern früher oder später um den Verlust geliebter Mitmenschen. Und früher oder später werden andere um uns trauern. Der Trauerschmerz kann sich zur Trauerstörung verstetigen. Vielen Menschen hilft es nach Erkenntnissen der Initiative „Raum für Trauer" vor allem, ihrem Schmerz nahe beim Verstorbenen, nämlich direkt am Grab, Ausdruck zu verleihen. Das ist jedoch bei den meisten aktuellen, pflegefreien Beisetzungsformen nicht vorgesehen. Konflikte entstehen, welche die Trauerarbeit behindern. Die Ergebnisse aus der jahrelangen interdisziplinären Forschung zum Thema zeigt die Initiative „Raum für Trauer" nun im weltweit ersten Experimentierfeld „Campus VIVORUM" in Süßen, Baden-Württemberg. Die ca. 6.000 m² große Anlage soll Anregungen dazu geben, wie auch pflegefreie Beisetzungsorte künftig (neu)gestaltet werden sollten, damit sie Trauernden besser helfen, ihre Trauer zu verarbeiten.
Der Zustand der Trauer ist Ausdruck tiefer Sehnsucht und ein stummer Schrei nach Hilfe. Spätestens dann sind Lösungen gefragt. Zunächst ist alles, was Trauernden hilft, gut und richtig. Trauer nach und nach zu verarbeiten heißt, sie in liebevolles Gedenken zu wandeln. Viele brauchen dafür die Nähe zum Verstorbenen und Rituale, wie das Ablegen oder Aufstellen von Blumen oder anderen persönlichen Gegenständen direkt auf dem Grab.
Wenn Angehörige sterben und Beisetzungen organisiert werden müssen, sind Hinterbliebene meist in einem Ausnahmezustand. Dann wird nicht auf das Kleingedruckte geachtet. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels sind in den letzten Jahrzehnten viele pflegefreie Grabformen entwickelt worden, bei denen satzungsgemäß keine persönlichen Gegenstände abgelegt werden dürfen – nicht nur auf Friedhöfen, sondern etwa auch in Beisetzungswäldern.
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Ideeller Träger der Initiative „Raum für Trauer" ist die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. (Kassel). Ihr Geschäftsführer Dr. Dirk Pörschmann weiß: „In Lebenskrisen geben Rituale Sicherheit. Nur wenn wir verstanden werden und unserer Sehnsucht Ausdruck geben dürfen, finden wir Trost." Viele Hinterbliebene verarbeiten ihre Trauer am besten durch individuelle Handlungen direkt am Grab. „Mit dieser Nähe und Handlungsfreiheit am Grab können Trauernde ihre Beziehung zum Verstorbenen allmählich von einer lebendigen Beziehung zu einer inneren Beziehung wandeln – sie finden Trost." Wo das verboten sei, geschehe es, so Pörschmann, meist trotzdem – „und dabei entstehen oft Konflikte, die der Trauerverarbeitung sogar entgegenstehen."
Günter Czasny hat als Sprecher der Initiative Wissenschaftler unter anderem aus Psychologie, Soziologie, Kognitionswissenschaften und Trendforschung sowie Experten aus allen am Friedhof tätigen Berufen beteiligt, mit ihnen die Wirkung des Grabes als Trauerort erforscht und den „Campus Vivorum" entwickelt. Die Planung übernahm das renommierte Büro für Landschaftsarchitektur Karres en Brands, Hilversum.
Mit dem ca. 6.000 Quadratmeter großen „Campus Vivorum" will die Initiative ihre Erkenntnisse nun zunächst Friedhofsverwaltern und -planern vermitteln. Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx (Zukunftsinstitut Frankfurt/Main, Wien), der seit Jahren an der Arbeit der Initiative mitwirkt und eine Studie (Zukunftsinstitut/YouGov) beigesteuert hat: „Hier werden Trauerkultur und Friedhofsentwicklung in die Zukunft gedacht – für jede Gemeinde, für jede Stadt ein enorm wichtiges Thema."
Auf dem bereits bestehenden, kommunalen Süßener Friedhof „Stiegelwiesen" wurden bereits vor wenigen Jahren zwei Grabanlagen nach diesen Erkenntnissen gestaltet. Die am Lebenden orientierte Gestaltung von Gemeinschaftsanlagen bewährt sich hier bereits in der Praxis – Bürgermeister Marc Kersting: „Dass es vielen Angehörigen hilft, persönliche Grüße und Gegenstände direkt auf dem Grab abzulegen, haben wir bei der Konzeption der pflegefreien Grabanlagen auf unseren Friedhof Stiegelwiesen berücksichtigt – mit großem Erfolg, denn wir konnten diese Anlagen bereits erweitern. Wir sind sicher, den Menschen damit zu helfen."
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